Geborgenheits-Eckchen

Ich weiss nicht, wie oft ich es gesagt, gehofft oder bei anderen gehört oder gelesen habe, aber: Der Herbst ist nun endgültig bei uns angekommen. Bis mittags ist der Himmel grau, und ich freue mich darüber. Endlich! Ich freue mich auf die Zeit, in der unsere Familie wieder „gesammelt“ wird. Weihnachtsbasteleien warten schon, Teelichter auf wunderschönen Kerzenhaltern, Gesellschaftsspiele… bisher einfach unspannend. Bei diesem schönen Wetter, gute Güte, hat doch niemand Lust, nach Hause zu kommen! Da wird draussen herumgerannt, gespielt und gehüpft, dass es einem den Atem verschlägt. Ich darf mich glücklich schätzen, wenn die Jüngste zum Nachtessen zuhause aufkreuzt. Die Fünfjährige! Aber sie ist ohnehin ein Spezialfall: Wenn wir uns bei den drei Jungs noch auf die Schulter geklopft haben, weil wir sie nie in eine Kita oder in einen Hort gegeben haben resp. geben mussten, fragen wir uns zwischendurch, ob wir unserer Elternrolle gerecht werden, wenn wir unsere Jüngste NICHT dahin schicken. Sie will nämlich unbedingt dahin, wo „alle ihre Freunde“ sind. Dem bedauernswerten kleinen Mädchen ist es dermassen langweilig allein zuhause, dass ich mich schon gefragt habe, was es für sie so schrecklich macht, hier zu sein… ?

Am Abend und in der Nacht kommt dann das gute Gefühl, als Mutter noch ein wenig von Bedeutung zu sein, zurück. Einschlafen will man nämlich nicht ohne Mama. Da ist man plötzlich wieder gaaaanz anhänglich. Am Abend braucht der kleine Mensch ganz viel Nähe und Kuscheln. Plötzlich werden Geschichten aus dem Kindergarten erzählt, von Freundschaften, Ungerechtigkeiten, besonderen Erlebnissen. Da will man die Mama gar nicht mehr loslassen! Auch nachts schläft man am liebsten im Bett der Eltern, ob breitbeinig oder zappelnd, spielt keine Rolle. Um dann tags darauf wieder fit und munter Fräulein Unabhängig zu sein. So holt unsere Tochter sich die Geborgenheit, die sie braucht – dann, wenn sie es selber will. – Von einem anderen Kind, das am Abend kaum zum Schlafen und am Morgen kaum zum Aufstehen zu bringen ist, höre ich beim Wecken manchmal den klar vernehmbaren, wenn auch müde klingenden Befehl: „Chräbele!“ Zu Deutsch: Rücken kraulen, bitte! Zu diesem Sohn setze ich mich dann aufs Bett und chräbele ihm den Rücken rauf und runter, es kann gar nicht lange genug dauern.

Das dritte Kind lebt auf, wenn es am Morgen – und am Mittag, und am Abend – erzählen kann, was es erlebt und geträumt, gespielt und gelesen hat. Er hat eine wunderbare Fantasie und geht in den Geschichten voll auf. Ich versuche, mich mit Bemerkungen wie „Das ist doch nur eine Geschichte!“ zurückzuhalten, denn die Kostbarkeiten liegen in den Beobachtungen, die der Sohn über Verhaltensweisen und Denkmuster von anderen macht. Auch wenn es sich um Dagobert Duck handelt – die Beobachtungen sind akkurat, was ich eigentlich toll finde, nur frühmorgens muss ich mich bewusst entscheiden, dem Raum zu geben. Vom vierten Kind werde ich plötzlich ganz fest umarmt oder geküsst. Es ist ein Berührungs-Tiger und liebt handfeste Umarmungen, oder wenn ich sein Gesicht sanft halte, während ich mit ihm spreche.

Jedes Kind hat sein Geborgenheits-Eckchen, seine Liebessprache, seinen Ort, an dem es seinen Liebestank füllt. Manchmal verliere ich den Überblick über alle ausgesprochenen und unausgesprochenen Bedürfnisse meiner Kinder (und noch über viel mehr Dinge). Ich finde es sehr beruhigend zu wissen, dass sie sich ein Stück weit holen, was sie brauchen. An mir ist es dann, diese Momente wahrzunehmen und nicht in der Eile wegzuwischen, was natürlich auch immer wieder mal vorkommt. Aber eigentlich ist es ja genau das, was ich tun will, und wobei ich mir vom Grau des Herbstes etwas Unterstützung erhoffe: Orte der Geborgenheit zu schaffen, Orte der Gemeinschaft und der Liebe und Freude. Es braucht nicht viel dazu: Etwas Licht, einen wärmenden Tee, ein Raum, wo man willkommen geheissen wird. Und ganz wichtig: keine Eile. Vielleicht servierte Liebe in Form von Zimtschnecken oder gedörrten Äpfeln, um wertzuschätzen und auszudrücken: Ich sehe euch. Ihr hattet Unterricht am Nachmittag und ihr habt viel geleistet. Hier dürft ihr sein. Hier seid ihr willkommen!

Von Herzen wünsche ich euch solche Geborgenheits-Eckchen und einen wunderbaren Start in die andere Seite des Herbstes, falls es bei euch am Wochenende auch umschlagen sollte.

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Hier noch ein paar Eindrücke aus unserem schönsten Zermatt-Ausflug in den Herbstferien:P1040392

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8 Gedanken zu „Geborgenheits-Eckchen

  1. Liebe Sonja! Beim Lesen spulten sich sofort Bilder meiner 3 Kinder in meinem Kopf ab. Sie sind jetzt schon alle groß, zwei schon erwachsen und die Geborgenheitseckchen die du beschreibst, hatte ich ähnlich mit ihnen. Jetzt sind es andere. Erst gestern hat mich mein Großer (fast 23) fest umarmt, einfach so, und später schrieb er mir „Die Umarmung vorhin tat mir so gut. Ich liebe dich Mom!“. Die Geborgenheitseckchen ändern sich mit den Jahren und gleichzeitig bleiben welche erhalten, wenn die Kinder in ihrer Kindheit die Möglichkeit haben, ihre „Eckchen“ zu leben. Bei uns war es oft auch der Abend, wenn es ins Bett ging und dabei ganz prägend der Segen, den ich jedem Kind stets zusprach. Ich freue mich auch jedes Jahr auf die Herbst-und Winterzeit. Mit dem 15-jährigen darf auch noch gerne Kekse gebacken werden und wenn ich Glück habe kommen irgendwann Enkelkinder, die bei mir vielleicht auch die eine oder andere Geborgenheitsecke finden dürfen. ich wünsche dir alles Gute und den Segen Gottes, herzlichst deine Sandra aus dem Sommerzimmer

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    1. Liebe Sandra, danke, dass du deine Erfahrungen teilst. Ich finde es nämlich immer wieder so spannend und faszinierend, von Müttern mit grösseren Kindern zu hören! Ich bin so gespannt darauf, wie sie als Teenager (und danach) sein werden, auch wenn ich das Jetzt sehr geniesse. Herzliche Grüsse ins Sommerzimmer – aus dem endlich verregneten Zürich 😉

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  2. Ach das unterschreibe ich ganz und gar. Und während ich hier lese nimmt eine kleine Schnupfennase ein Prinzessinenbad im Kerzenschein und mit Hörspiel, etwas zu knabbern und ein Glas Limo. Ich weiß genau, was du meinst und bin immer wieder fasziniert, wieviel unterschiedliche Liebessprachen unter den Kindern gesprochen werden. Ich freu mich auf dich. Deine gespannte Sandra

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  3. So schön!!! Danke für diesen Text und dein Blog der auch ein „Geborgenheitseckchen“ für mich ist. Und die Schönen Bilder! (ihr Schweizer seid einfach alle so sportlich! :-)).
    Segensgrüße zu Dir! (und ich freue mich auch auf Dich!…auf gute Begegnungen, auf dass jeder in seiner Liebessprache umarmt wird und sich willkommen weiß.)

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    1. Danke, du Liebe!! (Und mit unseren Jungs sind wir gezwungen, sportlich zu sein, sonst wird’s zuhause allzu sportlich… ;-)) Und ich freu mich auch auf dich!!!!!

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  4. Hallo Frau Himmlisch,
    hab ich das schon gesagt, du hast immer so feine Fotos.
    gelesen hab ich jetzt gar nix, nur Bilder angeguckt 🙂

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