Gesegnet und überwältigt

Draussen regnet es nun endlich, das lang herbeigesehnte Grau, gesprenkelt mit gelben und leuchtend hellbraunen Blättern, hat sich nun im Vergleich zum letzten Eintrag nochmals gesteigert: Es macht sich nun den ganzen Tag lang in Zürich breit und lässt mich behaglich Kerzen anzünden, heissen Tee kochen und das Sofa geniessen ohne das Gefühl, ich müsse doch sofort an die frische Luft, weil ja „schon mal“ die Sonne scheint. Nein, sie scheint nicht, und ich freue mich an den beiden Nachmittagsstunden, die ich schreibend vor mir habe.

Ich sitze vor meinem Laptop und kämpfe mit den Tränen. Ich habe gerade eine Mail gekriegt mit der Antwort auf eine Frage, die ich einer Bloggerin im Zusammenhang mit dem Bloggertreffen am Wochenende gestellt hatte. Ich war zu einem Treffen eingeladen unter dem Motto „Netzleuchten“, das zwei Bloggerinnen – Vorreiterinnen und Pionierinnen, nämlich Veronika Smoor und Christina Schöffler – zusammen mit dem SCM-Verlag organisiert hatten. In meinem Hals ist ein Kloss, während ich versuche, Worte dafür zu finden, was an diesem Wochenende in mir und mit mir passiert ist. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe. Und so will ich einfach statt einer Wunschliste, wie es vor Weihnachten üblich ist, eine Geschenk-Liste aufschreiben mit dem, was ich gerade erlebt habe und mitnehme, und wodurch ich mich überreich beschenkt fühle:

  • Ein liebevoll eingerichteter Raum mit Kerzenlicht und dem Schriftzug „geliebt“, der in der Mitte des Raumes Kultur und Aussage des Bloggertreffens vorzüglich auf Punkt brachte.
  • Dreimal täglich bekocht zu werden und sich jederzeit an einem vollen Tisch mit Kaffee und Tee, Süssgetränken, Schokolade, Snacks und am Abend Wein verköstigen zu dürfen.
  • Ich war total, vollumfänglich, hundertprozentig willkommen (auch wenn mein Hochdeutsch für „soo nettes Schweizerdeutsch!“ gehalten wurde). Begonnen hatte es mit der gemeinsamen Autofahrt, auf der schon so viel Herz geteilt wurde, dass ich nicht dachte, dass da noch mehr geht. Ich kam in den Raum und wurde von Christina so herzlich umarmt, als wäre sie eine langjährige Freundin, mit der ich schon viele Wegstrecken geteilt hatte. Das Gefühl wich das ganze Wochenende nicht.
  • Der Anblick eines Haufens wunderbarer, schöner, selbstbewusster Frauen, die alle etwas zu sagen haben. Jede hat ihre Botschaft, ihr persönliches Herzensanliegen und ihre Stimme. Die eine musste durch Trauer hindurch, mehr als einmal, und es ist ihr wichtig, ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen und andere damit zu stärken. Eine andere findet sich in einer Grossfamilie wieder und erzählt daraus so lebendig, ehrlich und bildreich, dass man beim Lesen ein Lächeln auf den Lippen hat und gleichzeitig mit den Tränen kämpft. Eine andere ist in einem kleinen Netzwerk verbunden, um junge Menschen mit befreienden, herausfordernden und herzlichen Botschaften für Jesus zu begeistern und ihren Wert und ihre Schönheit zu entdecken. Die Liste ist lang, der Frauen waren viele. Jede einzelne hat etwas zu geben!
  • Dass es möglich war, Herz zu zeigen, sich verwundbar zu machen, über Vergleichen, Eifersucht und Minderwert zu reden. Jede dieser Frauen hat eine verletzliche, feine Seite. Wir haben es gewagt, diese einander zu zeigen und in Beziehung miteinander zu treten. Wir haben es gewagt, unser Herz zu öffnen und zu verschenken und wurden noch viel mehr selber beschenkt. Frauen, die ich bis dahin überhaupt nicht oder nur durch gegenseitige Texte und Kommentare kamen, traf ich plötzlich persönlich. Das hatte mich im Vorfeld nervös gemacht wie vor einem Blind Date (damit habe ich zwar wenig Erfahrung, aber der Begriff fiel irgendwann während des Treffens, und er ist total zutreffend). Es schien, als hätten viele ähnliche Ängste. Aber wir sind gekommen, und wir sind uns begegnet. Ich glaube, diese Begegnungen sind das, was am allermeisten in mir weiterarbeitet, voller Ängstlichkeit einerseits, aber auch voller Hoffnung und Freude. Diese Begegnungen haben mich bewegt, aufgewühlt, ergriffen und berührt.

…und während ich so vor mich schreibe, kommt der Gedanke: So viele haben nun schon über dieses zauberhafte Wochenende geschrieben – was will ich dazu noch beitragen? Auch darum ging es an diesem Wochenende. Darum, eine Stimme zu sein, auch wenn sie leise ist und vielleicht sogar untergeht. Wenn das Gleiche schon anders, viel besser und eloquenter, persönlicher und witziger formuliert wurde. Einer der Sätze, die mich seit Samstag begleiten, ist derjenige, der Veronika von ihrer Lektorin immer wieder gehört hat: „Nein, du schreibst nichts Neues. Du erfindest das Rad nicht neu. Aber du erzählst mit deiner eigenen Stimme, und die ist wichtig.“ Ich glaube, für jede von uns zu sprechen, wenn ich sage: Das haben wir alle mitgenommen, diesen Gedanken: Ich darf ich sein. Ich darf ein winziger Fisch im Meer der geschriebenen Worte sein, ein bescheidenes, kaum sichtbares Licht in den weiten des weltweiten Netzes, aber ich darf meine Stimme ertönen lassen. Vielleicht gibt es nur zwei Menschen oder einen einzigen, die genau meine Stimme brauchen. Aber ich will mich nicht davon abhalten lassen, mein Licht scheinen zu lassen und meine Stimme zu gebrauchen, auch wenn jedes einzelne Mal die Gedanken von Bedeutungslosigkeit und Vergeblichkeit mit mir die Klingen kreuzen wollen. – Das Wissen, dass da draussen noch ein Haufen solcher Frauen sind, denen es ähnlich geht wie mir, und die ihr kleines oder grosses Licht scheinen lassen, ermutigt mich!

Zum Abschluss ein Gedicht, das wir auch gehört haben, und das ich mir merken will:

Unsere tiefste Angst ist nicht,

dass wir unzulänglich sind,

Unsere tiefste Angst ist,

dass wir unermesslich machtvoll sind.

Es ist unser Licht, das wir fürchten,

nicht unsere Dunkelheit.

Wir fragen uns: „Wer bin ich eigentlich,

dass ich leuchtend, begnadet,

phantastisch sein darf?“

Wer bist du denn, es nicht zu sein?

Du bist ein Kind Gottes.

Wenn du dich klein machst,

dient das der Welt nicht.

Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun,

wenn du schrumpfst,

damit andere um dich herum

sich nicht verunsichert fühlen.

Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit

Gottes zu verwirklichen, die in uns ist.

Sie ist nicht nur in einigen von uns,

sie ist in jedem Menschen.

Und wenn wir unser eigenes Licht

erstrahlen lassen,

geben wir unbewusst anderen

Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.

Wenn wir uns von unserer eigenen

Angst befreit haben,

wird unsere Gegenwart

ohne unser Zutun andere befreien.

Marianne  Williamson

 

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15 Gedanken zu „Gesegnet und überwältigt

  1. Liebe Sonja! In meinem Mailfach flatterte dein Newsletter. Ich finde es wunderbar, wie unterschiedlich und dennoch „gleich“ wir über dieses Wochenende geschrieben haben. Ja, das wir unsere eigene Stimme haben, die wir dann auch gleich beim Schreiben unserer Eindrücke vom Wochenende genutzt haben, ist mir auch sehr wichtig geworden. Vielen Dank für deinen tollen Beitrag in Form einer „Geschenkeliste“. Lieben Gruß, Sandra aus dem Sommerzimmer

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    1. Ach liebe Rebekka, mir ging’s mit dir genau gleich. Schade, hatten wir nicht mehr Zeit zum Reden. Ich freu mich so an den schönen Sachen von dir und grüsse dich ganz herzlich!!

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  2. JAAA! Es war so schön und Du hast das so wunderbar geschrieben, dass mir fast die Tränen kommen! DANKE!!! Deine Stimme ist ein Segen in meinem Leben (und ich bin froh, dass unser „blind-date“ so wunderbar war und einfach Lust auf mehr macht!) Danke, dass Du den weiten Weg gemacht hast!
    Ich drücke Dich aus der Ferne!!!

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    1. Und ich drücke dich ganz fest zurück! Wie bin ich glücklich, dich nun auch in echt gesehen zu haben. Du bist einfach eine wunderbare Frau, so strahlend und schön und voller Tiefe. Wie dein Schreiben!

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  3. Schön, Sonja – danke fürs in Erinnerung rufen all der Segnungen, die wir erfahren haben…leider hat sie mein Alltag schon wieder an einen weit entfernten Strand getragen, als wären wir uns vor Monaten begegnet und nicht gerade erst vor einer Woche…ich mag deine spritzige Energie voll Witz und Unkonvertionalität!

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    1. Liebe Anna – danke für deinen Kommentar und dafür, dass ich jetzt endlich deinen Blog kenne! 🙂 Danke für deine Komplimente – genau diese Eigenschaften sind mir an DIR aufgefallen! Ich bin so dankbar für dieses Wochenende, immer wieder blitzt eine Erinnerung, ein Gedanke auf. Herzliche Grüsse, Sonja

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  4. Du wundervolle Frau. Es war so schön dich ‚in echt‘ kennen zu lernen und Zeit mit dir zu verbringen. Über deine Texte mochte ich dich schon vorher so gerne und nach diesem Wochenende noch viel mehr. Danke für die schöne Zeit und für deine einmalige Stimme hier auf dem ‚virtuellen Marktplatz‘.

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